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Leer, August 2021 | Nicht nur, wenn es um den Umschlag von Dünge- und Futtermitteln, Schüttgütern sowie Eisen oder Schrott geht, spielt der Seehafen im ostfriesischen Leer eine wichtige Rolle. Auch als Standort, an dem nachhaltige Technologien für die Schifffahrtsbranche entwickelt und umgesetzt werden, hat Leer zuletzt wiederholt auf sich aufmerksam gemacht.

So war der Hafen im Frühjahr erneut Schauplatz für die Ausrüstung eines Schiffes mit einer innovativen Antriebstechnik: Auf dem Mehrzweckfrachter „Annika Braren“ (Rörd Braren Bereederung, Kollmar an der Elbe) wurde ein 18 Meter hoher Flettner-Rotor installiert – ein Windantriebsystem, den die Eco-Flettner GmbH in Leer entwickelt hat und mit Hilfe ihrer Gesellschafter auch bauen lässt.

Mit dem Rotor, einem rotierenden Zylinder, der wir ein Segel wirkt, lässt sich der Verbrauch von Brennstoff und damit der Ausstoß von Emissionen, wie zum Beispiel CO2, reduzieren. Insgesamt liegt die Kraftstoff-Einsparung bei etwa 10 bis 13 Prozent. Das sind gute Argumente, die der kommerziellen Schifffahrt in Sachen Antriebstechnologie weltweit den Weg in eine klimafreundlichere Zukunft ebnen können. Mittlerweile tummeln sich auf dem Anbieter-Markt für die Flettner-Technik, die auf den Erfinder Anton Flettner zurückzuführen ist, neben der Eco-Flettner GmbH weltweit zwei weitere Anbieter mit ähnlichen Produkten. Ein dritter stehe in den Startlöchern, weiß Ralf Oltmanns, Geschäftsführer der Eco-Flettner GmbH. Um die vielversprechende Technik zu fördern, setzt zum Beispiel das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur finanzielle Anreize. Seit diesem Jahr werden über ein neues Programm Mittel bereitgestellt, um Schiffe mit so genannten Segel-Assistenzsystemen wie dem Flettner-Rotor nachzurüsten.

„Technik made in Leer. Da dürfen auch wir als Hafenbetreiber ein klein wenig stolz sein“: So hatten es die Stadtwerke in Leer in einem Beitrag auf ihren Social-Media-Kanälen im Frühjahr kommentiert, als Mitarbeiter der Leeraner SEC-Werft den Rotor auf der „Annika Braren“ montierten. Tatsächlich handelt es sich bei dem Innovationsprojekt um das Ergebnis eines Zusammenspiels vieler regionaler Akteure. Entscheidend dafür, dass die jahrelange Entwicklung des Systems in Leer erfolgreich vorangetrieben werden konnte, waren die Hochschule Emden/Leer und die Mariko GmbH in Leer. „Ohne sie würde es unseren Flettner-Rotor nicht geben“, betont Ralf Oltmanns. Basis dafür seien zwei Forschungsprojekte, gefördert über so genannte Interreg-Programme, unter wissenschaftlicher Verantwortung der Hochschule gewesen.

Am Hochschulstandort Leer und bei der Mariko GmbH, die gleichzeitig Kompetenzzentrum „Greenshipping“ ist, geht es nicht nur um die Windantriebstechnik, sondern um verschiedenartige Forschungsvorhaben. Was allesamt eint: Sie haben das Ziel, die Schifffahrt „zu wirtschaftlichen Bedingungen ressourcenschonender und umweltfreundlicher zu gestalten“, wie es heißt. Ein Beispiel: Da sich reiner Wasserstoff als Treibstoff für die Seeschifffahrt mittelfristig nicht einsetzen lässt, wird gegenwärtig untersucht, wie gut sich Ammoniak als alternative Basis dafür eignet. 

Einer der großen Vorteile für den Flettner-Rotor: Wind ist nahezu grenzenlos verfügbar und kostet nichts. Das Modell, das im Frühjahr auf der Annika Braren montiert wurde, hat einen Durchmesser von drei Metern und wiegt 29 Tonnen. Der Zylinder kommt auf eine Umfangsgeschwindigkeit von 44 Metern pro Sekunde, was etwa 280 Umdrehungen pro Minute entspricht. Was weiterhin für die Rotortechnik spricht: Sie sei sehr robust und biete bei schwerem Wetter eine sehr geringe Angriffsfläche. „Das sind lediglich 54 Quadratmeter“, sagt Oltmanns, der von positiven Rückmeldungen von Bord der „Annika Braren“ berichtet. Um Bilanz ziehen zu können, dauert es aber noch ein wenig. Wissenschaftlich ausgewertet werden sollen alle gesammelten Daten nach einer Einsatzzeit von einem Jahr im Frühsommer 2022. Das passiert unter dem Dach des Projektes WASP (Wind Assisted Ship Propulsion), an dem die Reederei Braren teilnimmt. In dem mit 5,4 Millionen Euro aus dem Topf des „Interreg-North-Sea-Europe“ geförderten Projekt arbeiten Schiffseigner, Universitäten und Anbieter von Wind-Assistenz-Systemen zusammen, um das Leistungsvermögen verschiedener Systeme zu erforschen, zu testen und zu bewerten.

Einen weiteren großen Schritt nach vorne verspricht sich Ralf Oltmanns im mittlerweile beantragten, dritten Forschungsprojekt, an dem neben den wissenschaftlichen Einrichtungen in Leer unter anderem auch zwei Schiffbau-Ingenieurbüros und drei Reedereien beteiligt sind. Schon bevor Schiffe neugebaut werden, solle in der Konzeption die Anbindung, Einbauörtlichkeit und Größe der Rotoren vorgesehen werden – und zwar möglichst nicht nur für einen, sondern für mehrere. „Je mehr Segelfläche, desto größer ist die Ersparnis an Treibstoff und Emissionen“, erklärt Oltmanns. Ziel sei, die Schifffahrt auf diesem Wege besser auf die Flettner-Technologie vorzubereiten.

Im Leeraner Hafen ist man gespannt, wie es mit der „Technik made in Leer“ weitergeht. Klar ist, dass hier auch weiterhin der Mittelpunkt für die Aktivitäten sein soll. „Leer hat den Heimvorteil“, sagt Oltmanns. In Ostfriesland sei das Know-how vorhanden und man profitiere von kurzen Wegen.

Copyright: Stadtwerke Leer

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